2003
Die Jahreshauptversammlung des Vereins fand
am 28. Januar im Stadtarchiv statt. Anwesend waren 16 Mitglieder und ein
Gast.
Im öffentlichen Teil sprach
Vereinsmitglied, Herr Ingenieur Joachim Schneider, zum Thema „Über Herkunft und
Varianten des Flussnamens Oder“ (veröffentlicht in H. 1/2003). Hierzu gab es
sehr interessante und kontroverse Diskussionen. Herr Schneider leitete die
Namensgebung des Oderflusses von der ptolemäischen Weltbeschreibung her.
Insbesondere trugen die Herren Dipl.-Archivar OA Ralf-Rüdiger Targiel und
Dipl.-Phil. Rainer Schulz mit weiteren Deutungsversuchen zur Thematik bei. In
Thesenform von Herrn OA Targiel zusammengefasst, stellt sich die Namensherleitung
folgendermaßen dar: Die Benennung der Oder als „viadrus“ geht auf griechischen
Ursprung zurück; dieser Name ging dann verloren. Die slawische Benennung des
Flusses als „odra“ und ähnlichen Formen wird gebräuchlich, und erst im 16. Jh.
wird im Zusammenhang mit der ersten brandenburgischen Landesuniversität (1506
gegründet) und hier besonders mit dem Wirken von Jodocus Willich (1501-1552) der
Begriff „Viadrina“ für die Oder wieder gebräuchlich. Die Oder ist jetzt der
viadrus fluvius, die Druckerstadt Frankfurt (Oder) wird mit dem Zusatz „ad
viadrum“ gekennzeichnet.
Bei dieser Diskussion trug Vereinsmitglied, Herr Manfred Krause, sein Gedicht
zum Odergott Viadrus vor.
Im nichtöffentlichen Teil trug der Vereinsvorsitzende, Herr Dipl.-Lehrer
Wolfgang Buwert, den Bericht über die Tätigkeit im Geschäftsjahr 2002 und danach
die Schatzmeisterin, Frau Dr. Vera Kliemann, den Kassenbericht für das
Geschäftsjahr 2002 vor. Die Kassenprüfer, Herr Manfred Krause und OMR Dr. Klaus
Eichler, bestätigten den gegebenen Bericht. Die Mitglieder stimmten beiden
Berichten einstimmig zu.
Anschließend wurden über die Vorhaben des Vereins für das Jahr 2003 diskutiert
und daraus resultierende Beschlüsse gefasst.
Die Sitzung am 12. Februar war mit der Ausstellungseröffnung „Frankfurt (Oder) 1900 - Facetten eines Umbruchs“ im Stadtarchiv verbunden. Diese Ausstellung wurde von Studenten der Europa- Universität VIADRINA erstellt. Sie ging aus einem Projekt des Lehrstuhls für vergleichende Kulturgeschichte der Neuzeit und des Stadtarchivs hervor. U.a. gab eine Ausstellungstafel Einblicke in die Lebenssituation um 1900 einer bürgerlichen Familie und der Familie des Fischermeisters Witte.
Wohnhaus der Fischerfamilie Witte, Fischerstraße 87, Frankfurt (Oder) (Quelle: Museum Viadrina)
Am 25. März stellte der stellvertretende Vereinsvorsitzende, OA Ralf-Rüdiger Targiel, Beiträge aus der Filmsammlung des Stadtarchivs vor. Er zeigte u.a. Filmaufnahmen vom Festumzug der 725-Jahrfeier als Einstimmung auf den im Sommer folgenden Festumzug zur 750- Jahrfeier unserer Stadt.
Titelseite der Festschrift zum 725-Jahrfeier von Frankfurt (Oder).
Am 29. April
sprach im Stadtarchiv zunächst Herr Thomas Jäger über „Städtische Bedienstete
in Frankfurt (Oder) und ihre Besoldung im 16. Jh.“. Auf der Grundlage seiner
Recherchen im Stadtarchiv, insbesondere in den Nachrichten des Stadtschreibers Ni-colaus Theymler und Adolph Wohlbrücks „Geschichte des Landes Lebus“, stellte
der Referent die Angestellten der Stadt, ihre Funktionen und Bezüge sowie seine
neue Systematik der Unterstellungsverhältnisse vor.
Danach sprach Vereinsmitglied, OMR Dr. Klaus Eichler, über den ersten ärztlichen
Leiter des städtischen Krankenhauses, Dr. med. Gaebisch. Dr. Eichler gab dabei
auch einen Überblick über alle leitenden Ärzte des Krankenhauses. Diesem Beitrag
folgte Teil 4 seiner Forschungen „Von der Festung zur Lazarettstadt“. In Form
von Kurzbiografien und mit Dias stellte Dr. Eichler Ärzte und Schwestern vor,
die nach 1945 in Frankfurt (Oder) tätig waren, u.a. auch eine russische
Kapitänsärztin, die bis Juni 1947 in der Horn-Kaserne, dem russischen
Kriegsgefangenen-Entlassungslager, arbeitete.
Die nächste Sitzung fand anlässlich der Stadtarchiv-Ausstellung „Das Bild der Stadt Frankfurt (Oder) durch die Jahrhunderte“ in der Rathaushalle des Museums Junge Kunst statt. 21 Personen, darunter neun Gäste, wurden von Herrn Targiel durch die Ausstellung geführt, die als Beitrag des Stadtarchivs zum 750-jährigen Stadtjubiläum konzipiert war. Erstmals wurden in einer solchen komplexen Zusammenstellung und in einem solchen Umfang Ansichten der Stadt Frankfurt (Oder) gezeigt. Die Palette reichte von der ältesten Stadtansicht aus dem Jahre 1535 – eine Leihgabe der Universität Würzburg – bis zu Ansichten aus den 50-er Jahren des 20. Jh.. Zu sehen waren hervorragende druckgrafische Werke, beginnend mit dem 16. Jh., die ersten fotografischen Aufnahmen sowie Gemälde und Grafiken Frankfurter Maler.
Am 30. September, nach der Sommerpause, sprach Herr Restaurator Bernhard Klemm in einem DIA- Vortrag über „Hermann v. Wißmann – Versuch einer Würdigung“ (veröffentlicht in den Historischen Heften H. 1/2003). Anlass war der 150. Geburtstag des in Frankfurt (Oder) geborenen späteren Afrika- Forschers. Wißmann durchquerte als erster Äquatorialafrika von Westen nach Osten und verfasste mehrere Bücher über Afrika.
Titelseite der Afrika- Reisebeschreibungen von Hermann v. Wissmann (Quelle: Foto Salzwasser Verlag).
Als Reichskommissar von Deutsch- Ostafrika schlug er mit der neugebildeten deutschen Schutztruppe 1888-1891 den Aufstand arabischer Sklavenhändler nieder. 1895/96 war er Gouverneur von Deutsch- Ostafrika.
Am 28. Oktober besuchten die Vereinsmitglieder die neue Dauerausstellung im wiedereröffneten Museum VIADRINA. In einer Führung stellte der stellvertretender Museumsdirektor, Vereins- und Vorstandsmitglied Dr. Martin Schieck, in Grundzügen die neue Exposition vor. Das neue Herangehen an die Ausstellungsgestaltung wird in der gelungenen Verbindung der Architektur des denkmalgeschützten Gebäudes und der Präsentation der geschichtlichen Inhalte deutlich. Das historische Junkerhaus wird mit seinen einmaligen barocken Stuckdecken als Ausstellungsobjekt Nr. 1 begriffen und gewürdigt. Daraus folgt die nicht unumstrittene, teilweise sehr sparsame Gestaltung der Ausstellung. Dem geschuldet ist u.a. der Wegfall der urgeschichtlichen Entwicklungsetappe. Neben der Dauerausstellung werden künftig in drei Räumen Wechselausstellungen gezeigt, die die reichhaltigen Sammlungsbestände des Museums und wissenschaftlich aufgearbeitete Themen der Stadt- und Regionalgeschichte vorstellen.
Die Sitzung am
18. November fand in der Aula des Friedrichs-Gymnasiums statt, an dem der
Referent, Herr Ulrich Bratfisch, von 1936 bis 1943 Schüler war. An der
Veranstaltung nahmen neben Vereinsmitgliedern und Gästen auch Schüler und
Lehrer des Gymnasiums und zwei ehemalige Mitschüler des Vortragenden teil.
Herr Bratfisch, dessen Vater Prokurist und stellvertretender Direktor der
Niederlausitzer Bank in Frankfurt (Oder) war, berichtete über seinen Einsatz
als Luftwaffenhelfer. Als gestohlene Jugend bezeichnete der Referent diesen
Einsatz als Schülersoldat bei der Luftverteidigung Berlins im Jahre 1943. Anhand
von Fotos zeigte er den Kriegsalltag von 17 Friedrichs-Gymnasiasten am
Stadtrand von Berlin.
Die Sitzung am 9. Dezember fand wieder im Stadtarchiv statt. Vereinsmitglied, Herr Horst Voigt, sprach über „Martin Kießling und seine Bauten in Frankfurt (Oder)“. Der reich bebilderte Vortrag verschaffte den Mitgliedern und Gästen einen Überblick über das Wirken von Martin Kießling in der Oderstadt.
Gebäudekomplex vom Architekten Kießling am Frankfurter Anger (Quelle: Foto Eichler Ffo.)
Als Reichsbahn-Architekt und Geschäftsführer der Siedlungsbaugesellschaft „Ostmark“ war er verantwortlich für die Schaffung von Wohnraum für die Beamten der seit 1922 in Frankfurt ansässigen Reichsbahndirektion Osten. Viele der heute unter Denkmalschutz stehenden Gebäude und die in Paulinenhof geschaffene Gartenstadtanlage waren prägend für das Stadtbild und machten Kießling über Frankfurts Grenzen bekannt. In seinem Vortrag zeigte Herr Voigt tlw. bisher unveröffentlichte Materialien.